LV Gera in tiefer Trauer 19.01.2025 mehr lesen ...
Unser Trainer, Vereinsgründer, Organisationskünstler und stellvertretender Vorsitzender Dieter Schulz verstarb mit 90 Jahren. - Noch im Vorjahr hatte er das Bundesverdienstkreuz erhalten.
„Für mich war er immer der Mann mit den hochgekrempelten Hemdsärmeln. Und das war sprichwörtlich zu nehmen. Er ist sich immer treu geblieben, war nie arrogant. Mit enorm viel Herzblut hat sich Dieter Schulz in seine Aufgaben hinein gekniet. Er war nicht nur ein hervorragender Trainer, sondern ein toller Mensch. Ich habe ihn für seine Ruhe, seine Sachlichkeit und seinen Humor geschätzt und ihn bis heute gesiezt: Für mich war er eine Respektsperson. Nach vielen Jahren habe ich ihn wieder getroffen und ihn schon an seiner Stimme erkannt. Er hatte sich nicht verändert. Für mich war er immer ein väterlicher Beschützer“, erzählt die einstige Jenaer Kugelstoßerin Grit Hammer voller Hochachtung im letzten September beim 90. Geburtstag von Dieter Schulz im Kreise seiner einstigen Trainingsgruppe.
Am 19. Januar hat das Trainer-Herz von Dieter Schulz aufgehört zu schlagen. An den Folgen eines Herzinfarkts verstarb er, der bis zuletzt noch regelmäßig am Wurfring stand und seine Schützlinge beim Training des LV Gera aus nächster Nähe anleitete. „Sein letztes Jahr war noch einmal sehr ereignisreich. Erst hat er in der Thüringer Staatskanzlei das Bundesverdienstkreuz für sein Lebenswerk erhalten, dann seine Memoiren verfasst. Und dann war noch die tolle Feier anlässlich seines 90. Geburtstags, auf der ganz viele Freunde und Wegbegleiter vor Ort waren“, sagt Sohn Jens Schulz.

Versprechen an verstorbene Ehefrau eingelöst
Am Sterbebett seiner schwer erkrankten Ehefrau Marlis hatte diese Dieter Schulz nach 55 Ehejahren im Mai 2012 mit auf den Weg gegeben: „Wenn ich nicht mehr da bin, machst du wieder Leichtathletik-Training. Die Sportler brauchen dich.“
Dieter Schulz hielt sich an sein Versprechen, gehörte 2013 zu den Gründern des LV Gera. Als stellvertretender Vorsitzender übernahm er im Vorstand nochmals Verantwortung und entwickelte viele Talente, die bei Thüringer und Mitteldeutschen Meisterschaften eine Reihe von Titeln einheimsten.
Seine sportliche Wiege stand in Asbach bei Schmalkalden. In das kleine Örtchen im Thüringer Wald hatte es ihn mit seiner Mutter nach dem Krieg verschlagen. Dieter Schulz kickte bei der BSG Feinprüf Schmalkalden, legte 1953 sein Abitur ab. Anschließend absolvierte er ein dreijähriges Diplomsportlehrer-Studium an der Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport (DHfK) in Leipzig.
1956 wechselte Dieter Schulz nach Gera . Er begann am Nicolaiberg an der Berufsschule. Nachdem er einen alten Schrank mit Boxhandschuhen entdeckte, besserten sich die vorher auffälligen Undiszipliniertheiten unter den Schülern. Später erfolgreichen Boxern wie Günther Malik brachte er die ersten Kniffe bei. 1961 wurde er zum Bezirkstrainer Leichtathletik ernannt, nachdem er sich zuvor bereits in der Ausbildung von Übungsleitern engagierte.
Formte Kugelstoß-Europameister Dieter Hoffmann
Ab 1957 agierte Dieter Schulz als Trainer bei den Geraer Lok-Leichtathleten im Stadion der Freundschaft. Werner Scheffler hatte ihn geworben. Dabei betreute er Dieter Hoffmann, den er entdeckte, als er die Kugel ohne Training bei einem Wettkampf auf 12,87 m wuchtete. Nach einem halben Jahr bei Dieter Schulz steigerte sich Hoffmann schon auf 15 Meter und wechselte später zum ASK Vorwärts Potsdam. 1969 wurde er Kugelstoß-Europameister und war der erste Europäer, der über 20 Meter stieß.
Als die Leichtathletik-Bezirkstrainer in Berlin nach ihrer Bereitschaft, auch im Ausland zu wirken, gefragt wurden, sagte Dieter Schulz ja. Nach einigen politischen Schwierigkeiten ging er 1968 samt Familie nach Ägypten, wo er für die dortige Leichtathletik-Nationalmannschaft verantwortlich zeichnete. Leicht war es nicht, Prinzipien wie Disziplin, Ordnung und Pünktlichkeit einzuführen.
Sein Aushängeschild wurde Werfer Nagui Asaad, der als erster Afrikaner im Kugelstoßen die 20 m-Marke übertraf. Nachdem die All-Afrikanische Sportorganisation die Empfehlung ausgesprochen hatte, nur einheimische Trainer zu den Olympischen Spielen 1972 nach München zu entsenden, verlängerte Dieter Schulz seinen Vertrag in Ägypten nicht.
Chronik der Geraer Leichtathletik verfasst
Nach seiner Rückkehr in die DDR wurde Dieter Schulz Bezirksturnrat, ab 1977 dann Wurftrainer beim SC Motor Jena. Ab Oktober 1985 fungierte er als Cheftrainer Radsport bei der SG Wismut Gera, hatte dort in erster Linie administrative und organisatorische Aufgaben.
In der Wendezeit gründete er den SSV Gera 1990, ehe er in der Sportwerbung tätig war. 1995 ging er in Rente. Sportlich begab er sich allerdings noch nicht in den Ruhestand. In vorderster Reihe gehörte er 2001 zu den Mitbegründern des Fördervereins der Geraer Leichtathletik. Mit Ehefrau Marlis und knapp 70 Mitstreitern verfasste Dieter Schulz ab 2007 in akribischer Kleinarbeit die Chronik der Geraer Leichtathletik, die zwei Jahre später als 200-seitiges Werk vorgestellt wurde.
2011 erschien unter seiner Regie die zweite überarbeitete Chronik-Auflage, die bereits mehr als 400 Seiten umfasste. Als seine Frau verstarb, setzte Dieter Schulz sein sportliches Lebenswerk fort. Aber auch seine Kraft war begrenzt. Nicht nur die Geraer Leichtathleten werden ihn in guter Erinnerung behalten.

Text & Foto OTZ - Jens Lohse